Kontext
Ingenieurwissenschaftliche Grundlagenfächer sind geprägt von einer hohen Informationsdichte und kontinuierlich aufeinander aufbauenden Inhalten. Das erfordert von Studierenden, den Veranstaltungen kontinuierlich zu folgen, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Problem
Studierende haben regelmäßig Schwierigkeiten, die Veranstaltungen in Grundlagenfächern kontinuierlich zu besuchen und den Inhalt vor- bzw. nachzubereiten. Daher können die vermittelte Methodik und die fachlichen Inhalte häufig nicht sinnvoll aufeinander aufbauen.
Wirkkräfte
Erwartungen der Studierenden
Studierende erwarten erfahrungsgemäß in einem Modul, dass sie mit dem angeeigneten Wissen die Modulprüfung bestehen und das Modul erfolgreich abschließen können. Häufig haben die Studierenden Schwierigkeiten beim Zeitmanagement zu Beginn des Studiums und sind zudem überfordert von der Informationsdichte eines Grundlagenfaches. Daher besuchen manche Studierende die Vorlesungen und Übungen nicht kontinuierlich und üben stattdessen die Vorlesungsinhalte und Übungsaufgaben vor den Klausuren schematisch ein. Dies führt zu einer Lücke im Lernprozess, in dem der Bereich „Nachdenken und Verstehen“ zu kurz kommt. Zudem können in klassischen Lehr- und Prüfungsformaten die Lehrenden häufig der Heterogenität der Studierenden nicht gerecht werden.
Erwartungen der Lehrenden
Dies steht im Widerspruch zu dem Anspruch der Lehrenden, der darin besteht, neben den Fachinhalten das Verständnis und die Methodik zu vermitteln, wobei die einzelnen Lehrveranstaltungen aufeinander aufbauen. Damit soll die spätere Anwendung auf berufsbezogene, praxisorientierte Problemstellungen unterstützt werden, um die Studierenden bestmöglich auf die Anforderungen des weiteren Studienverlaufs und des späteren Berufslebens vorzubereiten.
Klassische Prüfungsformate, die nur am Ende des Semesters stattfinden, bieten keine Interventionsmöglichkeiten, wenn Studierende abgehängt werden.
Lösung
Mithilfe eines semesterbegleitenden Prüfungsportfolios wird der Lernprozess der Studierenden verstetigt. Im Rahmen dieses Portfolios wird sowohl Fach-, Berechnungs- als auch Methodenkompetenz abgefragt und ebenfalls das Verständnis von Zusammenhängen abgeprüft. Diese Teilaspekte werden im Rahmen der Benotung unterschiedlich gewichtet.
Details der Lösung
Vorbereitung:
- Einweisung der Tutor:innen
- Erstellung von Musterlösungen für die Aufgaben in den Veranstaltungen mit Begründungen und ggf. alternativen Lösungswegen
Durchführung:
In der Veranstaltung erfolgt die Bearbeitung von konkreten Problemstellungen in Kleingruppen je auf einem digitalen Whiteboard mit Betreuung durch Lehrende und Tutor:innen. Auf dem Whiteboard können die Lösungsansätze verschiedener Gruppen live verfolgt werden und die Gruppen jeweils in Diskussionen konkret unterstützt werden.
Das Prüfungsportfolio eines jeden Studierenden besteht aus den folgenden Elementen:
- Wöchentliche Abgabe einer Lerndokumentation (Bestehen) (bspw. mit „Mahara“) mit folgenden Inhalten:
- Fotos der in der Veranstaltung bearbeiteten Aufgaben mit Lösungen
- Text: „Was habe ich gelernt?“
- Bearbeitung der Hausaufgaben (eigenständig; unbenotet; Probleme und Fragen sollen notiert werden)
Wöchentliche Kontrolle der Hausaufgabe und individuelle Rückmeldungen durch Tutor:innen
- Eine (Online-)Prüfung in der Mitte des Semesters und eine (Online-)Prüfung am Ende des Semesters, in denen Berechnungskompetenz und anhand von Multiple-Choice-Fragen auch das Verständnis geprüft wird. (Note)
- Dozent:innen führen individuelle Fachgespräche (1:1) (ca. 10 Minuten) am Semesterende zur tiefergehenden Überprüfung des Verständnisses von Zusammenhängen und der Anwendung von strukturierten Vorgehensweisen auf praxisorientierte Probleme. (Note)
Stolpersteine:
- hoher organisatorischer Aufwand
- gute Kommunikation mit den Studierenden zu Anforderungen und Sinn des Lehrkonzepts notwendig
- hoher personeller Aufwand; dies kann nur mit Hilfe von Tutor:innen für Betreuung und Kommentierung der Hausaufgaben erfolgen.
Werkzeuge:
- Lern-Management-System, z.B. Moodle
- Digitales Whiteboard, z.B. Miro
- Möglichkeit zur Lerndokumentation, z.B. Mahara
Folgen (Vorteile, Nachteile)
Vorteile:
- Lernprozess wird verstetigt; Studierende erkennen, dass mit einer regelmäßigen Mitarbeit die Kompetenzen und das Verständnis stetig wächst
- Studierende wertschätzen das wöchentliche individuelle Feedback zu den Hausaufgaben; sie erkennen ihren Leistungsstand und das Interesse der Lehrenden daran
- Höhere Motivation der Studierenden
- Dozent:innen erkennen den jeweiligen Leistungsstand der Studierenden durch Analyse der Ergebnisse innerhalb der Gruppenarbeit, Bearbeitungstiefe der Hausaufgaben und Interviews; daraus Ableitung individueller Förderungsmöglichkeiten
- Auch Studierende mit Schwierigkeiten (fachlich, sprachlich, etc.) lassen sich durch gezielte Ansprache ermutigen.
- Vielfältige und engere Kommunikation zwischen Lehrenden/Tutor:innen und Studierenden
- Festigung von Verständnis und Berechnungswegen durch Online-Übungsaufgaben mit Kommentaren und Lösungswegen
- Belastung durch Prüfung in Klausurphase entfällt.
Nachteile:
- Einige Studierende können sich nicht auf das Lehrkonzept einlassen und stehen den kommunikativen Anforderungen eher kritisch gegenüber.
- Der Zeitaufwand für die Studierenden während des Semesters wird als zu hoch beurteilt.
- Manche Studierende lassen sich nicht ermutigen und ziehen sich eher zurück.
- Einige Studierende sind mit der Organisation der Anforderungen überfordert.
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