Kontext
In ingenieurtechnischen Studiengängen sind mathematische Grundlagen von zentraler Bedeutung, da sie das Verständnis und die Anwendung weiterführender Lehrinhalte ermöglichen.
Funktionen mehrerer Veränderlicher werden in vielen Lehrveranstaltungen behandelt und erreichen dadurch eine große Zahl an Studierenden. Besonders die Auseinandersetzung mit abstrakten Konzepten wie dreidimensionalen Funktionen mehrerer Variablen und deren Extremstellen (Hoch-, Tief- und Sattelpunkte) bereitet jedoch vielen Studierenden Schwierigkeiten, da diese Inhalte oft schwer vorstellbar sind.
Problem
Erfahrungsgemäß fällt es vielen Studierenden schwer, sich Funktionen mehrerer Veränderlicher und deren kritische Punkte wie Hoch-, Tief- oder Sattelpunkte vorzustellen. Diese Grundkenntnisse sind jedoch im weiteren Verlauf des Studiums von hoher Relevanz.
Wirkkräfte
- Fehlende Zeit/Ressourcen, um Heterogenität des Vorwissens der Studierenden aufzufangen
- Keine geeigneten didaktischen Methoden zur Unterstützung des Vorstellungsvermögens vorhanden
- Rein theoretische Berechnung von Funktionen ohne visuelle Darstellung erschwert das Verständnis von Funktionen
Lösung
Durch den ergänzenden Einsatz einer virtuellen Lernumgebung sollen Studierende ihr mathematisches Vorstellungsvermögen stärken. In der virtuellen Realität (VR) können die Studierenden Funktionen mehrerer Veränderlicher im VR-Raum spielerisch erleben.
Details der Lösung
Vorbereitung:
Im Rahmen des Projekts „Interaktive Lehre in virtuellen MINT-Laboren | MINT-VR-Labs“ wurden verschiedene VR-Anwendungen entwickelt. Für den Einsatz der hier beschriebenen VR-Anwendung kann diese heruntergeladen und auf einer VR-Brille installiert werden. Aktuell ist die Anwendung noch nicht über einen öffentlichen Download-Link verfügbar, wir arbeiten jedoch an einer Lösung. Bei Interesse können Sie sich gerne per E-Mail an uns wenden: mint-vr-labs@bht-berlin.de
Die Teilnahme an der virtuellen Lernumgebung sollte freiwillig erfolgen und vorher abgefragt werden. Grund dafür ist, dass manche Studierende unter Motion Sickness (Unwohlsein durch die Nutzung der VR-Brille) leiden.
Bei sechs Personen pro Gruppe werden bspw. eine Stunde und acht Headsets eingeplant (zwei als Backup). Das Live-Bild der VR-Anwendung kann bzw. sollte auf eine große Leinwand gestreamt werden, da mehrere Anwendungen gleichzeitig übertragen und auf dem Live-Bild präsentiert werden können. Ohne diesen Stream könnten die betreuenden Personen die Anwendung nur sehen, wenn sie selbst ein Headset aufsetzen. Mindestens zwei betreuende Personen sind erforderlich – eine Person für die technische und eine für die inhaltliche Unterstützung.
Durchführung:
Zu Beginn erhalten alle Studierenden eine technische Einweisung. Tutorials auf Texttafeln und Video-Tutorials innerhalb der VR-Anwendung erklären die Bedienung der Controller und Interaktionsmöglichkeiten. Nach Benutzung der VR-Brille und Controller sollten diese mit Desinfektionsmittel gereinigt werden. Es empfiehlt sich, die Gläser der Brille mit entsprechenden Brillenputztüchern oder Microfasertüchern zu reinigen.
Beschreibung der VR-Anwendung „Virtuelle Realität (VR) zur Förderung von mathematischem Vorstellungsvermögen“ anhand von Beispielen:
Innerhalb der virtuellen Lernumgebung befinden sich die Studierenden in einem Raum, in dessen Mitte sich der Graph einer Funktion zweier Veränderlicher einblenden lässt. Die VR-Anwendung ist in drei Level mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und einem Freeplay-Modus unterteilt.
Mountain Match 1: Im ersten Level soll eine parametrisierte Funktion nach einem Vorbild nachgebaut werden. Dabei können die vorgenommenen Veränderungen der Parameter in Echtzeit angeschaut werden.
Mountain Match 2: Das zweite Level gleicht dem ersten; hier können die Veränderungen der Parameter erst nach dem Auswerten angeschaut werden.
Marble Run: Im dritten Level gilt es den Pfad einer Murmel auf einer abgeflachten Karte mit Höhenlinien zu bestimmen.
Freeplay-Modus: Im Freeplay-Modus kann frei mit einer Funktion mit zweier Veränderlicher experimentiert werden.
Folgen (Vorteile, Nachteile)
Vorteile
- Virtuelles Erleben: Studierende können in den Funktionen „stehen“ und mit ihnen interagieren, wodurch abstrakte Konzepte erfahrbar werden (nicht möglich bei zweidimensionalen Abbildungen, wie z. Bsp. in der dynamischen Geometrie Software GeoGebra).
- Direktes Feedback: Studierende erhalten sofortiges automatisiertes textuelles Feedback bei falschen Eingaben (in den Level Mountain Match und Marble Run).
- Exploration fördern: Funktionen von allen Seiten betrachten, Achsen skalieren etc.
- Hoher Motivationsfaktor: Die VR-Anwendung wird in Evaluationen interessanter und motivierender bewertet als zweidimensionale Darstellungen wie bspw. in GeoGebra.
- Asynchrones Lernen: Die Nutzung der VR-Anwendung ermöglicht asynchrones Lernen. Dies fördert Studierende in ihren individuellen Lernprozessen, indem sie die Übungen in der Anwendung entsprechend ihrer Vorkenntnisse und im eigenen Tempo absolvieren können.
Zusätzliche positive Nebeneffekte:
- Kollaboratives Arbeiten: Die Anwendung fördert im Multiplayer-Modus Teamarbeit und den Austausch zwischen den Studierenden, was das gemeinsame Problemlösen in VR unterstützt.
- Medienkompetenz und Vorbereitung auf virtuelle Arbeitswelten: Die Studierenden erlangen nicht nur Fähigkeiten im Umgang mit VR-Technologien, sondern werden auch gezielt auf die Nutzung von VR in beruflichen Kontexten vorbereitet, wodurch sie ihre digitalen Kompetenzen und Future Skills stärken.
Nachteile
- Kosten: Die Anschaffung und Wartung der VR-Ausrüstung (Hardware) ist mit hohen Kosten verbunden
- Technische Anforderungen: VR-Anwendung (Software) wird benötigt und VR-Brillen müssen für ihren Einsatz im Unterricht aufgeladen sein.
- Optionales Equipment: Ein PC, ein Beamer, eine Leinwand sowie eine stabile WLAN-Verbindung werden benötigt, um das Live-Bild aus der VR-Brille auf einen Monitor zu streamen.
- Räumlichkeiten: Ausreichend freier Platz wird benötigt, um die VR-Anwendung mit Hilfe von Bewegungen sicher nutzen zu können.
- Zusätzlicher personeller Aufwand: Einführung in die technische Bedienung der VR-Headsets und technische Assistenz als auch der organisatorische Aufwand für die parallelen Lehrveranstaltungen erfordern zusätzliche Personalressourcen.
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